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Umsetzung von SAFe Elementen in einer öffentlichen Verwaltung

Agile Methoden realistisch in öffentlichen Verwaltungen umgesetzt bringen viele Herausforderungen mit sich – und bieten viele Chancen

von Oliver Strub

Senior Consultant

1. Oktober 2024

In diesem Blogbeitrag schildern wir anhand eines realen Anwendungsfalls, wie die agile Transformation in einer öffentlichen Verwaltung umgesetzt wurde, welche Herausforderungen dabei auftraten und welche Lösungen entwickelt wurden. Es wird gezeigt, wie ein mehrschichtiger Ansatz, basierend auf SAFe, der Umsetzung des Agilen Manifests und kontinuierlichen Verbesserungen, den Grundstein für den Erfolg legte.

SAFe

SAFe (Scaled Agile Framework) beschreibt auf ihrem Portal, dass die Einführung von Lean und Agile im privaten Sektor zu höheren Erfolgsraten in der Software- und Systementwicklung geführt hat. Auch Regierungen und öffentliche Verwaltungen haben dies erkannt und beginnen diese Denkweise und Methoden vermehrt einzuführen. Öffentliche Verwaltungen müssen jedoch einzigartige Herausforderungen bei Lean-Agile-Transformationen bewältigen. SAFe empfiehlt für die Transition zu einer agilen Organisation im öffentlichen Sektor, einen mehrschichtigen Ansatz, der auf der Vision und Strategie, dem SAFe Framework, Lean-Budgetierung und kontinuierlichen Verbesserungen basiert.

SAFe bietet hierzu in „SAFe for Government“ Empfehlungen und Best Practices an, die spezifische Anleitungen zur Bewältigung dieser Herausforderungen enthalten. Da sich die Komplexität solcher Organisationen nicht einfach generalisieren lässt, ergeben sich in der Praxis grössere Herausforderungen und die Empfehlungen von SAFe können anfangs nur ansatzweise umgesetzt werden.

In diesem Anwendungsfall sollte der agile Ansatz in einem bestimmen Bereich umgesetzt werden – für einen standardisierten Service, der allen Verwaltungseinheiten zur Verfügung steht.

Die Themen für den Aufbau des Service umfassten die Entwicklung, Einführung und Betrieb einer neuen Plattform sowie den Betrieb der bestehenden Lösung und die Migration auf die neue Plattform.

Eine der grossen Herausforderung war die Komplexität des Organisationskonstrukts. Um diesen Service bereitzustellen, sind drei verschiedene Organisationen involviert, welche jeweils komplett unterschiedlich strukturiert und organisiert sind. Zudem war der Stand der agilen Transformation der drei Organisationen auf einem unterschiedlichen Level.

Die drei Organisationen- wie sie funktionieren

Der Service für die Kernfunktionen des Dienstes wird von einem externen Dienstleister (erste Organisation) bereitgestellt. Dieser ist für den Aufbau, Betrieb und die Weiterentwicklung der Plattform verantwortlich. Dieser Dienstleister ist in der agilen Transformation schon weit fortgeschritten und arbeitet nach der SAFe Methode. 

Der interne Leistungserbringer (zweite Organisation) integriert die Dienste und übernimmt das operative Servicemanagement. Er vertritt die Verwaltung gegenüber den externen Lieferanten und trägt die operative Verantwortung für die Ausführung, insbesondere in Bezug auf die Einhaltung der Vorgaben sowie die Weiterentwicklung des Dienstes. Diese Organisation war zu Beginn dieser Initiative mitten in der agilen Transformation.

Die dritte Organisation ist für die Aufgaben im Bereich Führung und Steuerung verantwortlich, insbesondere für das Anforderungs- und Prozessmanagement, das Release-Management sowie das Wissensmanagement und das übergreifende Architektur- und Technologiemanagement. In dieser Organisation war die agile Transformation noch nicht gestartet.

Service-Finanzierung

Das operative Produkt- und Servicemanagement, der externe Dienstleister sowie die Mittel für Ersatzinvestitionen und Lifecycles sind in den Service-Tarifen enthalten und werden durch den internen Leistungserbringer an die Verwaltungseinheiten weiterverrechnet.

Einmalige Ausgaben für Innovationen, neue Funktionalitäten und zusätzliche Anforderungen zur Erweiterungen des Dienstes, werden im Rahmen der verfügbaren Mittel von der Führungs- und Steuerungsorganisation zentral finanziert.

Budgetprozess

Eine weitere grosse Herausforderung war und ist der Budgetprozess. Der Betriebsaufwand für Standarddienste wird in der Regel dezentral von den Kunden jährlich budgetiert und anschliessend von dem Leistungserbringer in Rechnung gestellt. Die Budgetplanung der Verwaltungseinheiten folgt einem klar vorgegebenen Prozess mit festgelegten Terminen zur Budgeteinreichung. Dies widerspricht den Prinzipien der agilen und Lean-Budgetierung, wie sie in SAFe beschrieben sind.

Agile Umsetzung

Im Laufe des Programms zur Entwicklung des Dienstes stellte sich heraus, dass die Einführung agiler Elemente entlang des Value Streams über die drei Organisationen hinweg schwieriger war als erwartet. Obwohl der externe Lieferant bereits nach SAFe arbeitete, waren die Verantwortlichkeiten in der Praxis nicht klar abgegrenzt und überschnitten sich teilweise. Die Definition und Implementierung durchgängiger Prozesse für einen Agil Release Train und dessen Schnittstellen erwiesen sich als herausfordernd. Zudem waren zu wenige Personen involviert, um mehrere Agil Release Trains innerhalb oder organisationsübergreifend einzuführen. Auch die Einführung der Lean-Budgetierung war aufgrund der bestehenden Prozesse nicht möglich.

Nach mehreren Meetings, Workshops und Eskalationen wurde ein neuer Ansatz entwickelt. Mit Unterstützung von internen agilen Coaches, dem Management und den Key-Stakeholdern der drei Organisationen wurde in mehreren Iterationen ein agiles Setup erarbeitet, das auf SAFe und dem agilen Manifest basiert. In diesen Workshops wurden folgende Punkte erarbeitet:

  • Klärung des Staffing und der vertraglichen Situation für die Umsetzung
  • Erarbeitung einer gemeinsamen Vision, Mission und Ziele
  • Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses des agilen Setups (Zielbild, Roadmap)
  • Definition der Zusammenarbeit (notwendige Zeremonien auf allen Ebenen, z. B. Weekly Meetings, Refinements, System Demos, sowie Schärfung der Rollen)
  • Aufbau einer agilen Infrastruktur mit Jira und Confluence, einschliesslich Lösungen für den Medienbruch zwischen den internen Organisationen und dem Dienstleister
  • Definition von DoR (Definition of Ready) und DoD (Definition of Done)
  • Aufbau des Backlogs
  • Festlegung von Terminen und Zeremonien
  • Schulungen der Teams
  • Stetige Optimierung des agilen Setups

Ergebnis

Das Resultat war die Schaffung eines “cross-functional“ Leading-Teams, das aus Mitarbeitenden mit Kernfunktionen aller drei Organisationen im Value Stream besteht. Das Leading-Team setzt sich aus folgenden Rollen zusammen:

  • Business Owner des Services
  • Unternehmensarchitekt
  • Lösungsarchitekt
  • Product Manager des Services (intern)
  • Provider Manager
  • Vertretung des Dienstleisters
  • Epic Owners
  • Fachexperten nach Bedarf
  • Gesamtverantwortliche der internen Organisationen (zu Beginn der Umsetzung)
  • Agile Coaches
Aufbau des agilen “cross-functional“ Leading-Team
Aufbau des agilen “cross-functional“ Leading-Team

Eine wichtige Rolle innerhalb des Value Streams spielt das Anforderungsmanagement. Das Anforderungsmanagement ist zentral für die Weiterentwicklung des Services. Generell spiegelt sich dies bei der Migration der bestehenden Technologie zur neuen Plattform ab und den daraus resultierenden technischen Anforderungen. Dieses Leading-Team fungiert als Steuerungsgremium, das alle Anforderungen und Bedürfnisse aufnimmt, kanalisiert und in das Leading-Team Backlog einfügt.
Die Hauptaufgabe des Leading-Teams besteht in der Planung & Steuerung. Hierbei werden die Anforderungen konsolidiert und das “Definition of Ready” (DoR) festgelegt. Gemeinsam mit dem Lieferanten wird eine Aufwandschätzung erstellt und geprüft, ob die Anforderung zukünftige Auswirkungen auf den Betrieb hat. Die Priorisierung der Anforderungen erfolgt in Zusammenarbeit mit den Kundenvertretern, entweder durch die SAFe-Priorisierungsmethode (WSJF) oder durch “Priorisierungs-Poker”. Die priorisierten Features (Epics) werden anschliessend zur Beauftragung freigegeben und in das Backlog des Lieferanten übertragen. Nach der Entwicklung werden die Features innerhalb des Leading-Teams anhand des “Definition of Done” (DoD) abgenommen.

Fazit

Mit der Einführung des Leading Team hat sich die Zusammenarbeit merklich verbessert. Die involvierten Stakeholder sind besser informiert und die Abstimmung zwischen den drei Organisationen funktioniert deutlich effizienter als früher. Dank der klaren Definition von DoR und DoD sowie der engen Einbindung des Lieferanten können die Features (Epics) effizienter entwickelt und implementiert werden.
Mit der Einführung des Service, den aktuell laufenden Migrationen und der erforderlichen Erweiterung des Services ist die Arbeitslast für alle involvierten Stakeholder hoch. Dies macht bestehende Schwachstellen deutlich und verdeutlicht die Bedeutung kontinuierlicher Verbesserungen des Value Streams und der zugehörigen Prozesse.

Ein Bereich, der in Zukunft noch optimiert werden kann, ist die Einführung einer Lean-Budgetierung. Diese gestaltet sich aufgrund bestehender Prozesse als herausfordernd, würde jedoch den Value Stream weiter vereinfachen und die Organisation auf ihrem Weg zur agilen Transformation nachhaltig unterstützen.


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Unsere Berater verfügen über langjährige Expertise in der Durchführung agiler Transformationen in verschiedenen Unternehmen. Diese Erfahrungen bringen wir gerne bei Ihnen ein, um Ihre Transformationsvorhaben effizient und erfolgreich zu realisieren. Zertifizierungen in SAFe SPC, ITIL 4 und Projektmanagement unterstreichen unsere fachlichen Kompetenzen.